Meist versuchen wir ja, unsere Beiträge mit einer lustigen Anekdote einzuleiten, um das Eis ein wenig zu brechen. Dieses Mal verzichten wir darauf, denn dafür ist das Thema zu ernst. Stattdessen gibt es einfach eine nackte Zahl: Wusstest du, dass acht Millionen Menschen in Deutschland ihren Alltag mit einer schweren Behinderung bewältigen müssen?
Inklusive Dunkelziffer sind es wahrscheinlich noch mehr. Dazu gesellen sich alle, die nur ein wenig eingeschränkt sind: Brillenträgerinnen und Schwerhörige, Menschen mit Leseschwäche oder Photosensibilität. Einen voll funktionsfähigen Körper zu haben, ist eher die Ausnahme als die Regel.
Diesem Umstand trägt die Gesetzgebung jetzt Rechnung – auch für den Onlinehandel: Am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz für digitale Medien in Kraft. Was es für den E-Commerce bedeutet, was dabei auf deinen Shopify Shop zukommt und wie du Barrierefreiheit im Netz auch für deine Kund:innen umsetzen kannst, erklären dir die folgenden Zeilen.
Kannst du im Brustton der Überzeugung sagen: „Ja, das haben wir so umgesetzt“, ist dein Shopify Store zu 90 Prozent barrierefrei und damit auch rechtskonform.

Diese Themen findest du im Folgenden:
- Rechtliche Grundlagen: Was ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?
- Zielgruppe: Für wen gilt das neue BFSG?
- Schwellen und Grenzen: Ausnahmen für das BFSG
- Auf die Finger: Was passiert, wenn das BFSG im E-Commerce nicht eingehalten wird?
- Einfach menschlich: Warum du immer für Barrierefreiheit bei Shopify sorgen solltest
- Best Practices Barrierefreiheitsstärkungsgesetz: So erfüllst du die (meisten) Anforderungen
- Komplett barrierefrei: So setzt du die WCAG-Guidelines vollständig um
Rechtliche Grundlagen: Was ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?
Bevor es ans Eingemachte geht, müssen wir natürlich erst über die rechtlichen Rahmenbedingungen sprechen. Sonst hätte alles weder Hand noch Fuß. Daher: Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ist die deutsche Umsetzung der Europäischen Norm 301 549. In seinem Rahmen wird die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) ab dem 28. Juni 2025 um Maßnahmen ergänzt, die verstärkt für einen barrierefreien Zugang zum Internet, insbesondere zu E-Commerce-Seiten, sorgen sollen. Entnommen wurden diese Maßnahmen den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1, die vom World Wide Web Consortium (W3C) entwickelt wurden und regelmäßig überprüft und ergänzt werden. Ziel soll es sein, dass Onlineshops mindestens das Barrierefreiheitsniveau AA erreichen, so wie es in den WCAG 2.1 angegeben ist.Oder auf Deutsch: Das W3C hat sich überlegt, wie das Internet für alle besser zugänglich wird. Die EU hat aus diesen Ideen 2018 eine Verordnung gemacht. Diese Verordnung wird im Juni 2025 in Deutschland zu einem Gesetz, das auch Onlineshops betreffen kann. Kann? Warum kann?
Zielgruppe: Für wen gilt das neue BFSG?
Das BFSG soll vor allem Endverbraucher:innen einen barrierefreien Zugang zum Internet ermöglichen. In der Welt des Onlinehandels richtet es sich daher explizit an B2C-Shops, unabhängig davon, welche Waren oder Dienstleistungen sie anbieten. B2B-Stores sind von der Regelung bislang nicht betroffen. Allerdings greift das Gesetz auch nicht für alle B2B-Shops:Schwellen und Grenzen: Ausnahmen für das BFSG
Folgende Sonderregeln gelten für die Umsetzung der Maßnahmen zur Barrierefreiheit. Nicht dazu verpflichtet sind Shops, die:- weniger als zehn Mitarbeitende haben
- weniger als zwei Millionen Euro im Jahr umsetzen
- Unternehmen, die weniger als 50 Mitarbeitende haben …
- Unternehmen, die weniger als zehn Millionen Euro im Jahr umsetzen …
- Unternehmen, die mindestens 50 Mitarbeitende haben …
- zehn Millionen Euro und mehr im Jahr umsetzen …
Auf die Finger: Was passiert, wenn das BFSG im E-Commerce nicht eingehalten wird?
Die Strafen für E-Commercler bei Verstößen gegen das BFSG sind durchaus drakonisch. Das Gesetz selbst sieht vor:- Aufforderung zur Nachbesserung: Im mildesten Fall wird Händler:innen eine Frist gesetzt, innerhalb der sie für mehr Barrierefreiheit auf ihrem Onlineshop zu sorgen haben.
- Bußgeld: Weiterhin kann ein Bußgeld von mindestens 10.000 € und höchstens 100.000 € verhängt werden. Autsch.
- Einstellung des elektronischen Geschäftsverkehrs: Schlimmstenfalls machen die Behörden dir den Laden vorübergehend dicht – mindestens so lange, bis du endlich nachgebessert hast. Umsatz = 0,0.
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Und apropos Abmahnungen und Anwälte: Die Gefahr, wegen Nichteinhaltung des BFSG vor dem Kadi zu landen, ist durchaus real. Netzveteran:innen erinnern sich an die Impressum-Abmahnwelle, die 2015 über das Web hereinbrach. Ganz so einfach wie damals haben es die Rechtsverdreher zwar nicht, aber ob du zehn Mitarbeiter hast, verrät oft schon ein Blick ins Über Uns.
Einfach menschlich: Warum du immer für Barrierefreiheit bei Shopify sorgen solltest
Selbst, wenn du von Gesetzen und Vorschriften nicht betroffen bist, empfehlen wir dir einen barrierefreien Auftritt im Netz. Warum? Die zynische Antwort wäre: Weil du so an noch mehr Menschen verkaufen kannst. Denn nach wie vor: Acht Millionen Deutsche sind schwer eingeschränkt. Warum solltest du dich um zehn Prozent deiner potenziellen Kundschaft bringen? Die korrekte Antwort lautet allerdings: Weil es richtig ist. Jeder Mensch verdient es, voll am Leben teilhaben zu können – und gerade das Internet kann dabei unendlich viele Türen aufstoßen. Denn wer nicht mobil ist oder sich nur mit Mühe durch den Alltag bewegt, ist dort trotzdem voll dabei: Menschen treffen, Konzerte besuchen und auch der entspannte Einkaufsbummel, vieles wird online möglich, wenn wir es nur zulassen.Zuletzt solltest du nicht vergessen, dass wir alle älter werden. Das Gehör lässt nach, die Augen werden müde, der Cursor wandert ein wenig langsamer über die Seiten. Vielleicht bist du in ein paar Jahren selbst ziemlich dankbar für ein barrierefreies Web. Heute den Grundstein dafür zu legen, kann also nicht verkehrt sein.
Best Practices Barrierefreiheitsstärkungsgesetz 2025 in Shopify: So erfüllst du die (meisten) Anforderungen
Um deinen Auftritt im Netz zukünftig rechtskonform zu gestalten, muss er das Zugänglichkeitsniveau AA (das zweithöchste Level – die Bewertungen gehen von A bis AAA) der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1 erreichen. Hinter 50 unterschiedlichen Kriterien gilt es dabei, einen Haken zu setzen. Zu viele, um sie hier alle einzeln aufzulisten; nachlesen kannst du sie aber gerne auf der Webseite der WCAG. Um dir trotzdem ein Gefühl dafür zu geben, was auf dich zukommt und um deinen Onlineshop zumindest auf ein barrierefreies Fundament zu stellen, orientierst du dich am besten an den vier Prinzipien und 13 Richtlinien der WCAG. Diese sind:Prinzip | Kriterium | |
Wahrnehmbarkeit | Textalternativen | Zu jedem Element deiner Webseite, das kein Text ist – also vor allem zu Bildern und eventuell Videos – muss eine beschreibende Textalternative existieren; Stichwort alt-Attribute. Nur so können Menschen, die etwa auf einen Screenreader angewiesen sind, deinen Shop komplett wahrnehmen. |
Zeitbasierte Medien | Zeitbasierte Medien – also vor allem Video- oder Audiodateien – müssen so zur Verfügung stehen, dass sie in unterschiedlichen Tempos wahrnehmbar sind. Zum Beispiel als Transkript. | |
Anpassbar | Die Inhalte deiner Seiten müssen sich auf verschiedene Arten anzeigen lassen, ohne dass dabei Informationen oder Struktur verloren gehen. Ein einfaches Beispiel sind Bilder, die sich vergrößert darstellen lassen. Technisch anspruchsvoller ist die Option, Hyperlinks oder Buttons auf Wunsch besonders hervorheben zu können. | |
Unterscheidbar | Hier geht es insbesondere um Farben und Kontrast. Die Schrift muss sich immer klar vom Hintergrund abheben. Noch besser ist ein Button, der einen alternativen Farbmodus aktiviert; zum Beispiel für Menschen mit Rot-Grün-Schwäche. | |
Bedienbarkeit | Per Tastatur zugänglich | Alle Eingaben auf deinem Shopify Shop müssen sich immer auch komplett über das Keyboard vornehmen lassen. |
Ausreichend Zeit | Elemente mit Countdown sind ein No-Go. „Klicke in 10 Sekunden hier für 25 % Rabatt!“? Machen ohnehin nur Shops, in denen man nicht einkaufen sollte. | |
Anfälle | Vermeide alles, was Anfälle auslöst. Und damit sind keine Wutanfälle gemeint, weil du den teuren Versand erst zum Schluss präsentierst, sondern epileptische Anfälle. Diese können zum Beispiel durch Stroboskopeffekte oder helle Lichtblitze ausgelöst werden. | |
Navigierbar | Die Navigation in deinem Store muss möglichst einfach sein. Dazu gehört eine verständliche Menüstruktur, aber auch eine Anzeige, wo im Shop sich User:innen gerade befinden. Also: Kategorien, Subkategorien und Sonderseiten immer klar kennzeichnen! | |
Eingabemodalitäten | Mach bei den Eingabemethoden in deinem Store nicht beim Keyboard halt, sondern berücksichtige auch andere technische Lösungen. Etwa die Adresseingabe per Sprachsteuerung oder die Auswahl von Zahlen auf einem Ziffernfeld. | |
Verständlichkeit | Lesbar | Vermeide komplizierte Schachtelsätze, Behördendeutsch und unnötige Fachausdrücke. Im besten Fall lässt dein gesamter Shop sich auf einfache Sprache umstellen. |
Vorhersehbar | Sorge dafür, dass dein Store konsistent bleibt: Nicht von einer Seite auf die nächste das Menü woanders platzieren oder die Reihenfolge von Buttons ändern! Auch, dass plötzlich und ungebeten laute Musik aus den Lautsprechern dröhnt, ist keine Option. | |
Hilfestellung bei der Eingabe | Ein großer Schwachpunkt unendlich vieler Webseiten: Wenn etwas schiefgeht, wird nicht klar kommuniziert, wo der Fehler liegt. Deshalb zum Beispiel immer fehlende Eingaben am Checkout eindeutig kennzeichnen und nicht einfach nur eine allgemeine Fehlermeldung ausspucken. | |
Robustheit | Kompatibel | Zuletzt sollte dein Store auf einer Vielzahl unterschiedlicher Displays korrekt angezeigt werden. Dazu gehören nicht nur Smartphones und Tablets, sondern auch Assistenzsysteme, wie sie etwa von Querschnittgelähmten oder Menschen mit ALS genutzt werden. |
Komplett barrierefrei: So setzt du die WCAG-Guidelines vollständig um
Um nun endgültig auf die AA-Bewertung zu kommen, existieren mehrere Möglichkeiten:#1 In Handarbeit das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz 2025 bei Shopify umsetzen
Die erste Methode ist natürlich, die WCAG-Kriterien Stück für Stück selbst abzuarbeiten. Für sehr kleine Shops ist das vielleicht noch praktikabel, bereits ein mittelgroßer Store stößt hier aber schnell an die Grenzen des Machbaren. Stell dir vor, du müsstest alt-Attribute für mehrere Tausend Produktbilder texten, jede Produktbeschreibung auf ihre Lesbarkeit überprüfen und dazu noch all deine Videos transkribieren. Und das ist nur der leichte Teil der Arbeit. Bei technischen Spielereien wie der Option, deine PDPs vorlesen zu lassen, sind wir noch gar nicht. Ergo: Kannst du machen, allerdings kostet es dich viel Zeit und das Fehlerpotenzial ist immens hoch.
#2 Apps für das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz 2025 bei Shopify nutzen
Shopify wäre nicht Shopify, wenn es im App Store keine Lösung gäbe, die dir das Leben einfacher gestaltet. Stand Februar 2025 finden sich gleich vier Apps, mit deren Hilfe du deinen Store größtenteils automatisiert auf das AA-Level bringen kannst: Was sie können und kosten, verrät dir unsere Übersicht:
#3 Dienstleister für das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz 2025 bei Shopify engagieren
Weiterhin existieren Dienstleister, die sich darauf spezialisiert haben, Webseiten auf ihre Barrierefreiheit zu überprüfen. Dort wird dein Store in der Regel einem Audit unterzogen und dir anschließend eine Liste mit Punkten präsentiert, die als verbesserungswürdig angesehen werden. Um die Schwachpunkte anschließend aus der Welt zu schaffen, bist du größtenteils auf dich selbst angewiesen. Mancherorts wird dir ein KI-Assistent angeboten, der dich bei der Umsetzung unterstützen soll, dessen Arbeit sich aber meist nur auf den Content deiner Seite beschränkt: Inhalte in einfache Sprache zu überführen, Übersetzungen in Fremdsprachen und Ähnliches. Ob das wirklich zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führt, ist zumindest fraglich. Unserer Erfahrung nach geht durch die KI immer die Persönlichkeit deiner Webseite flöten und am Ende muss jemand doch alles auf Korrektheit überprüfen.
#4 Agenturen für das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz 2025 bei Shopify engagieren
Ja, das ist oft die teuerste Lösung. Und ja, wir sind selbst eine Agentur und freuen uns natürlich, wenn du unsere Arbeit in Anspruch nimmst. Aber hast du mal Armageddon gesehen? Den Film mit Bruce Willis, in dem einer Gruppe Bohrspezialisten beigebracht wird, wie man ein Raumschiff fliegt, damit sie einen Asteroiden vom Kurs abbringen können, der auf die Erde zurast? Sinnvoller wäre es gewesen, einer Gruppe von Astronauten beizubringen, wie man ein Sprengloch bohrt … Soll heißen: Einen Onlineshop barrierefrei im Sinne des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes 2025 zu gestalten, ist selbstverständlich keine einfache Aufgabe. Allerdings stellt sie nur eine winzige Facette dessen dar, was einen guten Onlineshop ausmacht. Angefangen beim grundlegenden Konzept, über UX und UI, Markenauftritt und -präsentation, Bildauswahl und Textgestaltung bis hin zur Datenanalyse kommen etliche Kleinigkeiten zusammen.Eine wirklich gute Agentur sorgt mit dem ersten digitalen Spatenstich dafür, dass dein Store barrierefrei ist und sämtliche WCAG-Kriterien für das AA-Level erfüllt. Oder, sie weiß, wie sie deinen Shopify Shop entsprechend aufzurüsten hat. Ohne dass anschließend der Checkout streikt, sämtliche Stammdaten im Nirwana verschwinden und alles andere in Flammen aufgeht. Lochbohrer oder Weltraumfahrer – du hast die Wahl.